Bald 100 Tage ist Marc Kirchhoff neuer Geschäftsleiter der Triodos Bank Deutschland. Zeit, ihn näher kennen zu lernen. Welche Herausforderungen und Ziele sieht er für die Triodos Bank, die Finanzwirtschaft und Politik?

Was war Ihre Motivation, zur Triodos Bank zu kommen?
Mein privates Interesse an Nachhaltigkeit hatte schon früh gestartet. Mit der Elternrolle hat sich das dann verfestigt. Die Geburt meiner Tochter brachte mich zum Nachdenken - „was gibst du weiter?“, „was hinterlässt du eigentlich der nächsten Generation?“. In meinen vorherigen beruflichen Positionen konnte ich mich dem Thema Nachhaltigkeit immer nur partiell, aber nie vollumfänglich widmen. Als Berater betreute ich zuletzt Private Equity-Kunden, intensiv vor allem solche, die ausschließlich in ESG und Impact investierten. Dabei hat es mir extrem viel Freude bereitet, Unternehmen zu identifizieren, die einen wirklichen Beitrag zur Transformation leisten.

Es kam ein Punkt, an dem ich Nachhaltigkeit nicht nur teilweise, sondern beruflich vollumfänglich unterstützen wollte. Die gestaltende, verantwortliche Rolle bei der Triodos Bank erschien mir perfekt, dies auf kontinuierliche operative Füße zu stellen. Ich finde es beeindruckend, was die Triodos Bank in den letzten Jahrzehnten gerade auch hier in Deutschland geleistet hat. Als Vorreiter hat sie eine transformatorische Rolle eingenommen und zeigt Wege auf, wie man Geld einsetzen kann, um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen. Das möchte ich mit allen mir möglichen Kräften weiter vorantreiben und unterstützen.  

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Triodos Bank?
Ich nehme wahr, dass mittlerweile auch viele klassische Banken in das Feld Nachhaltigkeit vorstoßen. Sie haben möglicherweise bessere IT-Systeme, schlankere Prozesse, geringere Preise und wir stehen mit ihnen im Wettbewerb. Nachhaltige Spezialbanken wie wir, sind aufgerufen, uns die Frage zu stellen, wo schlagen wir den nächsten Pfahl ein, wo wollen wir transformatorisches Feld betreten, um eine Pionierrolle einzunehmen und anderen den Weg weisen können.

Das, was vor 15 Jahren noch als transformativ galt, ist jetzt Standard. Wenn man sich die Klassiker anschaut, Erneuerbare Energien wie Windräder oder Photovoltaik, dann sind das mittlerweile weitestgehend kalkulierbare Technologien aus Bankersicht hinsichtlich Risiko und Ertrag. Somit ist es zum Mainstream auch für die klassischen Banken geworden, dies zu finanzieren. Je mehr man im Wettbewerb steht, desto geringer werden die Margen. Es lohnt sich daher, auch auf Technologien oder Konzepte zu schauen, die sich in einer Zwischenzone befinden zwischen sehr früh und reif. Dafür braucht es das Verständnis einer Technologie oder eines Geschäftskonzeptes, das bisher nur wenige ausprobiert haben und bei dem viele Firmen Schwierigkeiten haben, einen Finanzierungspartner zu finden. Im Bereich Erneuerbare Energien gibt es an den Rändern des Geschäftsmodells vielleicht neue Ansätze, die wir noch nicht so durchdacht haben. Ebenso im Bereich Sustainable Real Estate. Unsere Stärke ist hier auch unsere kleine Größe und Flexibilität, in Nischen vordringen zu können und uns kleinvolumigerem Geschäft zu widmen.

Können wir uns von Private Equity etwas abschauen?
Private Equity hat ganz andere Eigenkapitalverzinsungsansprüche und dort ist man bereit höhere Risiken einzunehmen – insofern ist es ganz anders als eine Bank. Aber natürlich beschäftigen sich Private Equity-Unternehmen mit dem Screening von Märkten und Unternehmen, in die sie möglicherweise investieren können. Sie sind somit qua Geschäftsmodell ähnlich wie Capital Venture-Firmen immer darauf angewiesen, Vorreiter zu sein und bestimmte Technologietrends und Unternehmen, die unterbewertet sind, aufzudecken. Banken gehen hinsichtlich Risiko erheblich konservativer vor. Vielleicht lässt sich in der Mitte ein Handlungsfeld finden, mit Technologieunternehmen, die eher in unser Risiko-Raster passen. Denn um die Transformation voranzutreiben, müssen wir vermehrt in technologische Innovationen investieren und beispielsweise nachhaltige Startups fördern.

Was sind Ihrer Meinung nach derzeit die wichtigsten Themen für die Finanzbranche?
Ein unfassbar langer Transformationspfad der Wirtschaft hin zur nachhaltigem, CO2-neutralem Wirtschaften liegt vor uns. Regierungen haben gerade erst damit begonnen, Subventions- und Investitionsanreize, Förderprogramme und Mittel bereitzustellen, um diesen globalen Umbau zu stemmen. Dort setzen idealerweise unmittelbar die Banken an und spielen ihre Rolle des Transformationsfinanzierers: Sie begleiten die Wirtschaft über Kredite, Investments und über das Vernetzen mit volkswirtschaftlichen Förderstrukturen. Ich glaube jedoch, dass die Finanzindustrie überhaupt noch nicht komplett begriffen hat, wie wichtig ihre Rolle ist, dieser Transformationsverantwortung gerecht zu werden. Da ist es nicht mit light green oder grünem Marketing getan. Vielmehr ist die Aufgabe der Banken, sich konsequent und breit, über die gesamte Organisation hinweg, diesem Thema zu widmen und entsprechend aufzustellen. Spezialbanken, unter anderem auch die Triodos Bank, müssen da ein Stück weit eine Leuchtturmfunktion wahrnehmen und aufzeigen, was es bedeutet, das konsequent im Geschäftsmodell zu verinnerlichen.

Was muss Ihrer Meinung nach die Politik tun?
Die Politik sollte einen noch viel stärkeren Beitrag hin zur Transformation leisten: Es muss beispielsweise viel klarere Vorgaben für Kredite geben. Die Bankenaufsicht muss noch stärker darauf achten, dass Banken Klimarisiken ernst nehmen. Wir brauchen eine Regulierung mit klaren Strafmaßnahmen, um im Kampf gegen den Klimawandel Weichen zu stellen. Denn wir haben nicht genug Zeit auf selbstgesteuertes Handeln in der Real- und Finanzwirtschaft zu hoffen. Maximal fünf Jahre haben wir noch Zeit, um die Klimakrise zu bekämpfen, aber leider keine 25 mehr. Als Nachhaltigkeitsbank sehen wir es als unsere Aufgabe, auf die Politik positiven Einfluss auszuüben. Das tun wir in der Triodos Gruppe mit unseren vielfältigen Change Finance-Aktivitäten.

Gibt es spezielle Ziele die Sie für die Triodos Bank in Deutschland erreichen möchten?
Um die Vorbildfunktion auszuüben, muss eine Bank neben einer gewissen Größe auch ein eigenes lebensfähiges Konzept und eine nachhaltige Strategie verfolgen und sich ökonomisch sicher aufstellen – gerade angesichts steigender Kosten, Regulierung und eines anspruchsvollen weltpolitischen Umfelds. Es braucht dann auch eine strategische Raison d’être. Wir müssen definieren, „Was ist der Sinn und unsere Daseinsberechtigung im Markt?“. Normalerweise würde man sagen, Deutschland braucht alles, aber nicht noch eine weitere Bank. Ich erwarte grundsätzlich eher eine weitere Konsolidierung in der Bankenbranche. Daher muss es eine unser Aufgaben sein, für die anderen Banken Impulse zu setzen, die zeigen, wie man transformativ finanzieren kann in Deutschland. Mit unserer Größe können wir vielleicht keinen flächendeckenden Wandel einleiten, aber doch wichtige Akzente setzen und die richtigen Nischen besetzen.

Was sollte die Triodos Bank noch stärker machen?
Darauf achten, dass man das Richtige tut und das auch kommunizieren an unsere Stakeholder. Wir leisten eine wichtige Transmissionsaufgabe, die wir konsequent vermarkten sollten. Tue Gutes und rede darüber. Dafür müssen wir in den richtigen Gremien und Netzwerken präsent sein. Letztlich ist es die Aufgabe jeder/jedes Mitarbeiter:in, Botschafter unserer Mission zu sein. Und wir haben auch ganz tolle Kund:innen, die unsere Werte teilen und weitertragen. 

Wie war Ihr Eindruck von der Bank in den ersten Wochen?
Ich merke, dass es einen sichtbaren Unterschied gibt, mit Mitmenschen zu arbeiten, deren Handeln primär auf dem Dienen einer Mission ausgerichtet ist. Das macht einen sehr positiven Unterschied in der Zusammenarbeit finde ich. Die Kolleg:innen sind überdurchschnittlich motiviert, die Arbeitskultur sehr offen, konstruktiv und freundlich. Das macht mir die Arbeit sehr angenehm. Ich verspüre einen deutlichen Unterschied in der Kultur hier zu der, die ich bisher kannte. Alle sind vereint durch ein gemeinsames Ziel und verfolgen zusammen einen Purpose.